Jesper Juul: Pubertät – Wenn Erziehung nicht mehr geht
Richtig oder falsch – das gibt es bei Jesper Juul nicht, wenn er über Erziehung schreibt, wie er es seit Jahren tut. Der Däne ist Lehrer, Konfliktberater, Vater und gilt auch als innovativster Familientherapeut Europas. Verantwortung ist ein zentraler Begriff bei Jesper Juul. Er plädiert dafür, den Kindern Verantwortung für sich selbst zuzugestehen. Traditionell üben Erwachsene für vieles Verantwortung aus, Mama und Papa wissen schon, was gut ist. Jesper Juul ermutigt Eltern, loszulassen, aber da zu sein. Wer Jesper Juul von anderen Schriften her kennt, erlebt es in diesem Buch auch wieder: er vertraut auf die Ressourcen in den Eltern-Kind-Beziehungen und nimmt uns mit, sie zu entdecken.
Karin Jäckel: Störfall Schule
Es ist eine Zumutung. Mit jedem Satz, jedem Kapitel steigt das Erregungspotenzial: Traurigkeit, Empörung, Zustimmung, Ungeduld – nach gut 300 Seiten weiß der Leser, der es eh schon wusste, dass es so nicht weitergehen kann , aber wird – mit dieser Art von Schule, die Kinder beschädigt, Lehrer krank macht und Eltern hilflos. Dabei hat die Autorin nichts Spektakuläres aufgeschrieben. Sie erzählt die Geschichte des deutschen Bildungswesens, geht weit zurück, noch vor Luther und der Idee von einer Schule für alle. Sehr verdichtet, sehr zugespitzt und immer im historischen, politischen, soziokulturellen Kontext eingebunden, trägt sie zusammen, was an Daten und Fakten längst bekannt ist. Daraus knüpft sie ein feines Beziehungsgefüge: Familienpolitik, die Rolle der Mütter und Väter, die Entwurzelung der Kinder, gespiegelt im Schul- und Bildungssystem. Und wie eins mit dem andern verwoben ist und wie Politik im Ideologischen verfangen ist und sich Zwängen beugt und daraus der Störfall Schule wird.
Miriam Gebhardt: Die Angst vor dem kindlichen Tyrannen
Wer sich noch etwas intensiver einlassen will, etwas spezieller und etwas differenzierter erfahren will, wie im 20. Jahrhundert Kindsein geprägt war, wird bei Miriam Gebhardt fündig. Erziehungsmodelle, Erziehungsstile im Wandel von Strenge und Hörigkeit zu Vertrauen und Verständnis, dazwischen Zeiten der Nicht-Erziehung. In all diesen Ideen spiegelt sich das Verhältnis der Gesellschaft zum Kind wider. Wie eine Gesellschaft auf das Kind blickt, schreibt Gebhardt, so blickt sie auf sich selbst. Hochaktuell angesichts der Missbrauchs-Erfahrungen vieler Generationen. Kindheitsforschung ist eine noch junge Wissenschaftsdisziplin, Gebhardt muss deswegen nah ran an Originalquellen. Besonders emotional wird das sehr verdichtet geschriebene Buch, wenn sie aus Elterntagebüchern zitiert – eine wahre Fundgrube. Und dem Leser drängt sich die Frage auf, wie selbstbestimmt wir eigentlich sind in unserer Auffassung von Erziehung.