Im Gespräch mit Angela Gutzeit (Sendung des DLF)

„Die deutsche Frauenbewegung der 70er-Jahre redete sich die Köpfe heiß über die Herrschaftsbeziehungen und Machtfragen zwischen Mann und Frau. Gender Studies zogen in die Wissenschaft ein, und Alice Schwarzer gründete die Zeitschrift Emma. Inzwischen sprechen Alt- und Jung-Feministinnen kaum noch dieselbe Sprache. “ (Deutschlandfunk)  -> zum Audio-Stream

„Das Alphatier treibt Geschichtsklitterung“ (Rezension in der FAZ)

Miriam Gebhardt tritt nicht gegen Alice Schwarzer an, sie fordert sie nicht zum Duell heraus. Das ist ihr in Zeiten, da auf dem Buchmarkt die wichtigste Währung Krawall ist, um überhaupt die Wahrnehmungsschwelle zu überschreiten, hoch anzurechnen. Miriam Gebhardt vertraut dem sachlichen Blick der Historikerin, die sich den Lauf der Geschichte vornimmt – und der bietet reichlich brisanten Stoff. …“ Die Rezension von Melanie Mühl in der FAZ vom Wochenende ist hier jetzt auch online zu lesen.

Cora Stephan in „DIE WELT“ zu „Alice im Niemandsland“

„Alice Schwarzer und ihre verbohrte Ideologie“

„Es ist ein offenes Geheimnis, dass Alice Schwarzer nicht die beste Freundin der Frauen ist, das glauben höchstens die Männer. Leider geben nur wenige Frauen zu, dass es eine kleinere Tragödie ist, dass die deutsche Frauenbewegung mit einer politisch kurzsichtigen und ideologisch festgefahrenen Person identifiziert wird, die nur im Geschäft der Selbstvermarktung Spitze ist.Weiterlesen…

Deutscher Feminismus: 5 Fragen an Miriam Gebhardt

Ist Alice Schwarzer wirklich alleine schuld an der Misere des Feminismus?

Ich glaube, das Problem ist, die jungen Frauen kennen hierzulande keinen anderen Feminismus als den von Alice Schwarzer. Wer erinnert sich denn überhaupt noch an eine Zeit ohne sie? Wer weiß denn, wo die internationale feministische Diskussion momentan steht? In Deutschland ist Alice Schwarzer eben zum Markennamen für Frauenemanzipation geworden. So wie „Tempo“ für Papiertaschentücher. Nur: Die Themen von Alice Schwarzer sind nicht mehr aktuell. Zu Alice Schwarzers Glanzzeit war Sex das wichtigste Problem. Und die Befreiung vom Patriarchat. Und alle Frauen sollten gleich sein. Heute haben wir das Denken aus den siebziger Jahren abgehandelt und stellen fest – bei der unterschiedlichen Bezahlung von Frauen und Männern hat sich seit über 100 Jahren kaum etwas getan. Und Frauen leiden unter mehr Zwängen denn je.

Wie sähe eine moderne Frauenbewegung aus, die wieder mehr Anhängerinnen findet?

Mein wichtigste Bitte wäre: keine Erzieherinnen mehr! Sowohl Alice Schwarzer als auch zum Beispiel Bascha Mika mit ihrem Buch „Die Feigheit der Frauen“ sagt uns ja, wie wir sein sollen, und dass wir uns gefälligst ändern müssen, um uns mit Fug und Recht emanzipiert nennen zu dürfen. Diese Gesinnungsschnüffelei kommt überhaupt nicht mehr infrage. Feministinnen, die zeitgemäß sein wollen, bauen keine ideologischen Gräben zwischen Müttern und Nicht-Müttern, zwischen Karrierefrauen und Gemüsebeet-Pflanzerinnen. Deshalb sind äußerliche Fragen wie die Höhe des Absatzes oder wie sexy eine Feministin aussehen darf, auch nicht mehr interessant.

Wie lassen sich junge Frauen vom Feminismus überzeugen?

Die Geschlechtergerechtigkeit ist ja kein Selbstläufer. Jemand hat mal ausgerechnet, wenn es in dem jetzigen Tempo weitergeht, dann müssen wir noch über hundert Jahre warten mit der Chancengleichheit. Außerdem gab es genug feministische Ikonen, die Lust machen könnten auf Feminismus: Zum Beispiel der frühe Hippie Anita Augspurg, die Hitler aus Bayern werfen lassen wollte. Oder die sexy Gloria Steinem, quasi das Topmodel der amerikanischen Frauenbewegung. Und nicht zuletzt die leider kürzlich verstorbene Helen Gurley Brown, die langjährige Chefredakteurin der amerikanischen Cosmopolitan, die „Sex and the City“ um Jahrzehnte voraus war.

Welche feministischen Ziele sind heute am wichtigsten?

Nachdem Frauen solange gesagt wurde, sie müssten sich zwischen Kind und Karriere entscheiden, bin ich jetzt mal für einen Perspektivwechsel.  Nicht die Frauen müssen sich ändern, sondern die Strukturen. Außerdem müssen die Männer mit ins Boot geholt werden. Es regt mich wirklich auf, wenn Frauenförderung in diesem Land immer mit Familienförderung verwechselt wird. Um ein Beispiel aus der Uni zu wählen: Da werden Kindergärten als Frauenförderung verkauft, anstatt als Familienförderung. Frauenförderung wäre aber, wenn Frauen die Arbeitsbedingungen und die Themen an der Uni gleichberechtigt mit gestalten könnten.

Stehen die Frauen in anderen Ländern wirklich so viel besser da als die deutschen?

Das kleine Island hat sich gerade zur feministischen Weltmacht ausgerufen und die Sexindustrie trocken gelegt. In Frankreich gibt es öffentliche Debatten über die Neue Mütterlichkeit. In England machen sich Frauen für ein Recht auf Hüftspeck stark. Von den Wirtschaftsquoten in Skandinavien ganz zu schweigen. Und was machen wir: Wir treten einen „Shitstorm“ los, weil es die Frauenministerin Kristina Schröder wagt, Alice Schwarzer zu kritisieren. Das ist unser Problem!

Lebensreformer, Mystiker, Pädagoge – Wer war Rudolf Steiner?

Miriam Gebhardt widmet sich in ihrer Biographie dem Begründer der Anthroposophie und der Waldorfpädagogik, dem Esoteriker und Philosophen Rudolf Steiner. Gebhardt bettet Steiner in den Kontext seiner Zeit ein und verortet ihn in der Reformbewegung des frühen 20. Jahrhunderts.

Ausgestattet mit einem feinen Gespür für die Sorgen und Wünsche seiner Zeitgenossen, griff Steiner deren Sehnsüchte geschickt auf und goss daraus ein Sinnfindungsprogramm für das Bürgertum. Wie viele andere Propheten und Reformer wandte er sich den Themen zu, die den Menschen auf den Nägeln brannten: Erziehung, Gesundheit, Religion und die Rasanz des modernen Lebens.

Aber wie kaum einem anderen gelang es ihm, bis in die Gegenwart zu wirken. Nicht nur Waldorfschulen erfreuen sich großer Beliebtheit, auch Lebens- und Pflegemittel aus anthroposophischer Produktion finden sich heute in fast jedem Supermarkt.

Im „Steiner-Jahr“ 2011 sind gleich drei Biografien des Anthroposophen erschienen, die von Anhängern und Medien unterschiedlich begeistert aufgenommen wurden. Hier eine kleine Auswahl der Reaktionen in der Berliner Literaturkritik, bei Buchtips, im Titelmagazin und im Tagesspiegel. Die Diskussionen unter den Anthroposophen lassen sich am besten auf dem Waldorfblog verfolgen.

OE 1, 29.7.2010

Sachbuch
Die Angst vor dem kindlichen Tyrannen
Eine Geschichte der Erziehung im 20. Jahrhundert

Dürfen Kinder im Bett der Eltern schlafen, ist Chinesisch Lernen mit vier schon zu spät? Wie es dazu kam, dass wir uns heute in Erziehungssachen nicht mehr auskennen, steht in Miriam Gebhardts Buch „Die Angst vor dem kindlichen Tyrannen“.

Unsere kleinen Haustyrannen

Glaubt man populären Fernsehserien, Illustriertenberichten und aktuellen Sachbüchern, dann ist der Befund ernüchternd: Unsere Kinder sind schrecklich, sind Zombies, Haustyrannen, Despoten, „Bonsai-Terroristen“. Sie sind aufmüpfig, aggressiv und egoistisch. Mit den Prinzipien der antiautoritären Erziehung jedenfalls kommt man da nicht weiter. Disziplin und Strenge lauten die Gebote der Stunde.

Aber ist der Nachwuchs heute tatsächlich so viel aufsässiger als früher? Sind die Kinder tatsächlich lauter – oder die Erwachsenen nur geräuschempfindlicher geworden? Ist der, der seine Grenzen auslotet, tyrannischer als der, der alles regeln und kontrollieren will? Die Historikerin Miriam Gebhardt hat ihre Zweifel.

„Man muss sich einmal fragen, was hinter dem Begriff der kindlichen Tyrannei eigentlich steckt“, sagt Gebhardt. „Und ich denke, da steckt vor allem die Angst vor den kindlichen Bedürfnissen – dass die überhand nehmen. Da kann man Parallelen finden in unserer Erwachsenenwelt, nämlich, wie sehr auch wir uns derzeit gehalten fühlen, unsere eigenen Bedürfnisse zu disziplinieren, wenn man zum Beispiel an das Rauchverbot denkt und die ganze Gesundheitspolitik oder die Disziplin in der Arbeitswelt. Wir alle sind ja sehr stark damit beschäftigt, unsere Bedürfnisse in Zaum zu halten und zu disziplinieren. Dies scheint nun auch das Mittel der Wahl zu sein bei Kindern.“

Historie der Erziehung

Miriam Gebhardt beginnt ihr Buch „Die Angst vor dem kindlichen Tyrannen. Eine Geschichte der Erziehung im 20. Jahrhundert“ mit einem sich aufdrängenden Verdacht: „Eltern scheinen sich nicht nur um ihr Kind zu ängstigen, sondern auch vor ihrem Kind“. In ihrem Werk versucht die Autorin, Paradigmen und Grundmotive der frühkindlichen Pädagogik herauszuarbeiten und das Verhältnis von Alltagspraxis und Expertenwissen in der Geschichte der Erziehung in Deutschland zu beleuchten.

„Das ist keine lineare Geschichte und keine Fortschrittsgeschichte“, sagt Gebhardt. „Mich hat sehr überrascht, dass in der Kaiserzeit und im frühen 20. Jahrhundert im Bürgertum eigentlich noch eine etwas gelassenere Haltung der Kindererziehung gegenüber eingenommen wurde als das später der Fall war.“

„Unser Bild ist eher von der schwarzen Pädagogik geprägt“, so Gebhardt. „Es gibt jetzt auch den Film ‚Das weiße Band‘ von Haneke, in dem noch mal die These aufgestellt wird, dass durch die brutalen, demütigenden Erziehungsstile in der Kaiserzeit so eine Art deutscher Charakter geformt wurde, der womöglich dann in den Nationalsozialismus geführt hat. Und meine Ergebnisse sind da eigentlich etwas anders: dass diese strenge und starre Erziehung auch ein Gutes hatte, nämlich dass die Eltern dadurch gezwungen waren, sehr genau auf ihre Kinder hinzuschauen, weil sie mussten sie ja beobachten und die Entwicklung genau im Auge behalten. Und dass womöglich durch dieses genaue Hinschauen auch mehr Intimität entstanden ist.“

Drei Sozialisationsmuster

Miriam Gebhardt sieht in der Geschichte der Erziehung im 20. Jahrhundert drei Phasen bzw. drei „dominante Sozialisationsmuster“, die sie „das beobachtete Kind“, „das kontrollierte Kind“ und „das eigene Kind“ nennt.

Bedingt durch die hohe Säuglingssterblichkeit, rückten Ende des 19. Jahrhunderts Neugeborene zunehmend in den Fokus der Medizin und Kinderheilkunde. Durchaus mit Erfolg. Doch es blieb nicht bei medizinischer Hilfe. Ärzte formulierten strikte Erziehungsziele: Regelmäßigkeit bei Schlaf- und Wachzeiten, bei Ernährung und Ausscheidung, Reizvermeidung und Körperdisziplin.

„Das war sozusagen das Einfallstor in die Familien, weil man dann auch der Meinung war, Mütter können nicht von Natur oder von Tradition aus richtig erziehen“, erzählt Gebhardt, „sondern die Kinderärzte postulierten diese Forderung, dass Mütter sich nicht mehr von ihren Instinkten oder der Tradition leiten lassen dürften, sondern von den Experten geleitet werden müssten.“

Das beobachtete Kind

Ratgeber, Tabellen und Anleitungen zum Ausfüllen zeugen von der Verwissenschaftlichung und Rationalisierung der frühkindlichen Sozialisation. Aus dem Kind wurde das beobachtete Kind. Der Arzt Adalbert Czerny appellierte an die Eltern, jede allzu liebevolle oder emotionale Zuwendung zu den Kleinen zu unterlassen – „um so wenig als möglich Ansprüche wach zu rufen“, die „Beherrschung des Willens“ zu fördern und „dem Kinde auch gleichzeitig den ersten Begriff der Subordination unter einen Vorgesetzten“ beizubringen. Ärzte wurden mehr und mehr zu Erziehern der Nation – und übten einen großen Druck aus auf die Eltern.

„Wenn die geschrieben haben, dass ein Kind, wenn es weint, keine Gefühle hat“, sagt Gebhardt, „dass Kinder überhaupt erst ab einem bestimmten Alter Gefühle haben, wenn sie schreiben, dass Tränen einen nicht von der regelhaften, normierten Säuglingspflege abhalten dürfen, dann hat das tatsächlich einige Jahrzehnte lang die Auswirkung gehabt, dass Mütter zum Beispiel in ihr Tagebuch geschrieben haben, das Kind sieht fast so aus, als wollte es hochgehoben werden, aber das kann ja nicht sein. Also die Expertengläubigkeit war tatsächlich sehr groß.“

Das kontrollierte Kind

Vom beobachteten zum kontrollierten Kind war es nur ein kleiner Schritt. In den 1930er Jahren nahm die Zahl der Ratgeber und Erziehungsleitfäden zu, immer mehr Normen wurden formuliert. Das Expertenwissen lief der Alltagspraxis den Rang ab. Und neue Begriffe kamen in Mode: Erbgesundheit, Volksgemeinschaft, Lebensbemeisterung. Das Kind galt es schon früh auf die Härten des Lebens vorzubereiten.

Das meinte auch Johanna Haarer, die mit ihrem Buch „Die deutsche Mutter und ihr erstes Kind“ reüssierte, das 1934 erstmals erschien, bis 1987 auf dem Markt war und sich über eine Million Mal verkaufte. Die Autorin war eine überzeugte Nationalsozialistin, ihre Erziehungsmaximen freilich – Gehorsam, Affektkontrolle und Disziplin, Strafe und Abhärtung – waren nicht speziell nationalsozialistisch, sondern lange vor und nach der Nazidiktatur beliebt. Auch für Haarer war jedes Kind ein potenzieller Tyrann, den es zu bekämpfen galt.

Das eigene Kind

Für ein neues, kinderfreundlicheres Erziehungsideal bedurfte es erst eines neuen Menschenbilds, das dem der klassischen Psychoanalyse, das jedem Menschen ein aggressives Triebpotential unterstellte, zuwiderlief. Ein solches etablierte sich zuerst in den USA. „The Common Sense Book Of Baby And Child Care“ hieß eine neue, ungeheuer populäre und für mehr Freizügigkeit plädierende Erziehungsfibel, ihr Autor war ein gewisser Dr. Spock.

„Also Spock hat auf jeden Fall diese Idee aufgebrochen, dass es nur eine richtige Art und Weise geben kann, wie Eltern ihre Kinder behandeln“, sagt Gebhardt. „Sie hat im Grunde den Eltern Mut zugerufen und ihnen empfohlen, auch mal nach dem eigenen Gefühl zu handeln und vor allen Dingen nicht darüber zu erschrecken, wenn man mal inkonsequent war.“

Benjamin Spock läutete das Ende der bedingungslosen Expertengläubigkeit ein. Eltern sollten weniger dem gedruckten Wort, als ihrer Intuition vertrauen. Der Säugling wurde nun nicht länger als autistisches, gefühlloses Wesen betrachtet, sondern als umweltoffenes und emotionales. Körperkontakt, Kindzentrierung, Bindungstheorie hießen die Schlagworte. Aus dem „kontrollierten“ wurde das „eigene Kind“.

„Das ist auf jeden Fall so, dass sich nach 1945 auch deshalb etwas geändert hat bei den Erziehungsstilen, weil sich die Wirtschaftsformen verändert haben – hin zur Dienstleistungs- und Konsumwirtschaft“, erklärt Gebhardt. „Dass da eben gesellschaftlich auch ein anderer Mensch gebraucht wird als vorher. Das war eben ein Mensch, der seine Bedürfnisse wahrnimmt, ausdrückt und dann auch auslebt. Und nicht ein selbstdisziplinierter, kontrollierter Mensch, der fünfmal nachdenkt, bevor er konsumiert.“

Verspätetes Umdenken

In Deutschland freilich wurden die Vorstellungen von Benjamin Spock mit zwanzigjähriger Verspätung rezipiert. In der Zeit von Wiederaufbau und Wirtschaftswunder herrschte der Johanna-Haarer-Erziehungsdrill, auf pädagogische Alternativen verschwendete man keine Zeit. Dass es schließlich doch zu einem Umdenken kam, ist kein Verdienst der 68er. Die nämlich, so Miriam Gebhardt, waren Anhänger der klassischen Psychoanalyse – und betrachteten das Kind als triebgesteuert und narzisstisch.
Und heute? Heute mehren sich die Anzeichen für eine Renaissance des „kontrollierten Kindes“.

„Ich will gar nicht abstreiten“, sagt Gebhardt, „dass in dieser psychologisierten Welt, in der Eltern sich ganz stark versuchen im Kind und durch das Kind zu verwirklichen – dass es in dieser Welt Schwierigkeiten gibt mit Kindern, die Erwachsenen auf die Nerven gehen. Andererseits muss man auch sehen, dass das Leben der Erwachsenen immer strukturierter und reglementierter geworden ist und dass schon auf Grund dieser Tatsache Kinder immer mehr als störend wahrgenommen werden. Aber man muss sich fragen, mit welchem Menschenbild haben wir es eigentlich zu tun? Geht es wirklich nur darum, dass sich ein Kind gut in den Erwachsenenarbeitsalltag einfügt? Dass Kinder frühzeitig lernen müssen sich ihre Bedürfnisse nach Lustempfinden, nach Persönlichkeitsentfaltung abzugewöhnen? Das fände ich traurig.“

Zur aktuellen Erziehungsdebatte

Miriam Gebhardts Arbeit, die vor allem auf der Auswertung von Elterntagebüchern und Erziehungsratgebern basiert und letztere in einem durchaus kritischen Licht erscheinen lässt, verraten sie doch mehr über das Weltbild einer Gesellschaft als über deren Sorge um den Nachwuchs – diese Arbeit ist nicht als Reaktion auf die aktuelle Erziehungsdebatte entstanden. Sie ist eine Habilitationsschrift.

Dennoch liefert dieses, bei allem Fußnotenfleiß und Zitiereifer flüssig geschriebene, gut lesbare und differenziert argumentierende Buch viel Aufschlussreiches zu dieser Debatte. Dies nicht zuletzt weil es deutlich macht, wie alt und erschreckend zählebig die Vorstellung von der Erziehung als Machtprobe und vom Kind als Widersacher, als Störenfried, als kleinem Tyrann, den es zu bändigen gilt, doch ist.

Text: Wolfgang Seibel · 29.07.2010