„Herrliches Gegengift“

Michael Schikowski von „Immer schön sachlich“ hat unter dem Titel „Das Führerprinzip und die Laisierung der natürlichen Experten“ eine Kurzrezension von „Die Angst vor dem kindlichen Tyrannen“ veröffentlicht. Die historische Perspektive sei ein „herrliches Gegengift“ zur verbreiteten Tyrannenthese der Experten:

„Wenn die Geschichte der Erziehung als die Geschichte der Kinder als Tyrannen erzählt wird, dann ist die relativierende Wirkung auf feste Überzeugungen enorm, denn Geschichte impliziert Veränderung. Als kulturelle Konstruktion kann aber eine Wesensbestimmung des Kindes als kleiner Tyrann nicht aufrecht erhalten werden.“

„Entscheidend ist das Menschenbild“

Bericht von Gero Fischer vom Podiumsgespräch mit Gesine Schwan (Foto links: Frans Huegel) auf der Frankfurter Buchmesse:
„Das Buch führt uns ein in den Zusammenhang zwischen der Art wie wir Erziehung und Bildung verstehen, und der Art wie wir die Gesellschaft und Politik im allgemeinen verstehen“, so Gesine Schwan. Dabei rehabilitiere es den Begriff des Menschenbildes. „Die Frage, ob ich andere Menschen als Freunde oder Feinde begreife, ist eine fundamentale.“

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vorwärts: “Sind Kinder keine Menschen?”

Mithuy Sanyal hat auf vorwaerts.de eine erste Rezension des Buches veröffentlicht: „Gestützt auf Klassiker der Erziehungsliteratur, vor allem aber auf Elterntagebücher aus vier Generationen zeichnet Gebhardt die Wechselwirkung zwischen gesellschaftlichen und individuellen Erziehungsstrategien bis heute nach. Mit diesem Buch hat sie eine Mentalitätsgeschichte Deutschlands geschrieben. Denn wie eine Gesellschaft auf ihre Kinder blickt, so blickt sie auf sich selbst.“

Erziehung und Angst – eine Geschichte der elterlichen Verunsicherung

Miriam Gebhardt untersucht die Geschichte der Erziehung im 20. Jahrhundert und stellt fest, dass Ärzte, Erzieher und Eltern stets getrieben waren von der Furcht vor dem kleinen Haustyrannen. Bis in die sechziger Jahre warnte man Väter und Mütter eindringlich vor zu viel Verständnis und Zärtlichkeit gegenüber ihrem Nachwuchs. Es galt die strenge Parole: Kinder nicht küssen!

Deutsche Eltern im 20. Jahrhundert waren hin- und hergerissen zwischen Norm und Liebe, zwischen Strenge und Verständnis. Von allen Seiten stürmten Ratschläge und Warnungen auf sie ein, man solle sich nur ja nicht von den Bedürfnissen des Kindes gängeln lassen. Es galt, ein wildes Wesen zu zähmen. Wissenschaftler, Ärzte und Hebammen waren sich einig – gefordert wurde eiserne Konsequenz beim Einhalten der Schlaf- und Essrhythmen, wenig Körperkontakt und kein Mitleid. Nur so würde der Nachwuchs für die Härten des Lebens gerüstet.

Miriam Gebhardt untersucht die Geschichte der Früherziehung im 20. Jahrhundert und widmet sich Fragen, die heute noch brandaktuell sind. Denn nach wie vor erhitzt kaum eine Debatte die Gemüter mehr als jene darüüber, wie man den Nachwuchs am besten auf das Leben vorbereitet.

Ein tiefer Blick in die Geschichte der Erziehung in Deutschland: Nicht erst seit Bueb und Winterhoff erhitzen Erziehungsfragen die Gemüter.